Die Mujeres Libres und der Syndikalistische Frauenbund.
Vera Bianchi
Mit den Mujeres Libres (Freie Frauen) im Spanischen Bürgerkrieg und dem Syndikalistischen Frauenbund in der Weimarer Republik untersuche ich zwei empirische Beispiele für Radikalität in der Arbeiter_innen- und Frauenbewegung. Beide Frauengruppen kämpften innerhalb der anarchistischen Bewegung für eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft und strebten ein herrschaftsfreies Zusammenleben aller Menschen an.
„Radikal“ als Selbstzuschreibung ist mir bei beiden Gruppen nicht begegnet, aber ihr Verhalten war radikal – indem die Mitglieder durch vielfältige Formen der direkten Aktion in diverse Lebensbereiche eingriffen, um ihr Leben als Frau und Arbeiterin von Grund auf zu verändern.
Die Frauen bezogen ihre direkte Aktion nicht nur auf die als politisch definierte Sphäre, sondern auch auf die Bereiche des Alltags, der häuslichen Arbeit, der Kinderbetreuung, der Care-Arbeit auch für alte Familienangehörige. Ihr Arbeitskampf fand im Bereich der Produktion weniger in Fabriken statt als in der Heimarbeit (sweating system), gleichzeitig aber auch in den Bereichen der Konsumtion und der Distribution.
Revolutionär war ihr gleichzeitiger Kampf für eine Veränderung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse als auch für eine Veränderung der Rolle der Frau. Während im deutschsprachigen Raum „Militanz“ oft auf die Anwendung von Gewalt reduziert wird, verwende ich den Begriff wie im romanischsprachigen Raum, zum Beispiel im Spanischen, wo er bedeutet, sich ganz für eine Sache einzusetzen bzw. einer Bewegung anzugehören.
Zur Diskussion möchte ich mit einer Darstellung derjenigen Forderungen und Aktivitäten der beiden anarchistischen Frauengruppen beitragen, die sich auf eine Revolutionierung der Geschlechterbeziehungen im Privaten und Öffentlichen beziehen.
Vera Bianchi ist Historikerin und promoviert bei Prof. Dr. Susanne Schötz in Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Technische Universität Dresden über zwei anarchistische Frauengruppen in Deutschland und Spanien in der Zwischenkriegszeit: den Syndikalistischen Frauenbund und die Mujeres Libres (Freie Frauen). Sie war Promotionsstipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Graduiertenakademie der TU Dresden und ist Redaktionsmitglied bei Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien.
Publikationen (Auswahl):
• Feministinnen in der Revolution. Die Gruppe Mujeres Libres im Spanischen Bürgerkrieg.
Unrast, Münster, 2. Auflage 2020 (1. Auflage: 2003).
• Mujeres Libres – Libertäre Kämpferinnen. Hg.: Vera Bianchi, übersetzt von Renée
Steenbock und Vera Bianchi. Edition AV, Bodenburg 2019.
• Der Syndikalistische Frauenbund zu Beginn der Weimarer Republik. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Heft 73/74, Kassel 2018, S. 72-79.
• Feminismus in proletarischer Praxis: Der „Syndikalistische Frauenbund“ (1920 bis 1933)
und die „Mujeres Libres“ (1936 bis 1939). In: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift
für historische Studien. Heft 2018/I, Berlin 2018, S. 27-44.
• Geschlechterverhältnisse im Spanischen Bürger*innenkrieg: Milicianas (Milizionärinnen)
zwischen Heroisierung und Schützengraben. In: Österreichische Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft. Bd. 2016/3, Wien 2016, S. 145-159.